In diesem Jahr waren die Zeichen ganz auf Tradition gesetzt. Die Veranstaltung fand simultan in den 6 Konzerthallen statt, in denen Celebrate zu Beginn seiner Tätigkeit regelmäßig seinen Semesterabschluß feierte. Und so fanden sich die Honorarien im moya und in der Stadthalle (wie ehedem in Saal 2) ein, im ehemaligen Großen Haus des 2087 endgültig geschlossenen Volkstheaters, das extra für diese prestigeträchtige Veranstaltung noch einmal flottgemacht wurde. Auch in der Nikolaikirche, in der Bühne 602, und im Hörsaal 3 der Parkstraße waren alle Vorbereitungen bis zuletzt im Gange, um dieses Konzert zu einem Erlebnis für alle Beteiligten zu machen.

Mit einer nie da gewesenen logistischen Meisterleistung wurden sechs Konzerte auf die Bühne gestellt, wie sie vor 100 Jahren gleichermaßen nicht besser hätten organisiert worden sein können.

Einigen Aufwand verursachte schon die Koordination der unmittelbaren Konzertvorbereitung, namentlich des Einsingens. Traditionellerweise hätte dies in beengtem Raum mit allen Beteiligten gemeinsam stattfinden sollen, aber selbst die gesamte Stadthalle hätte nicht gereicht, um die Verhältnisse noch als "beengt" beschreiben zu können. So wurde, wie seit einiger Zeit üblich, nach Stimmgruppen eingesungen, wofür die Universität großzügig Räume zur Verfügung stellte: Sopran und Alt waren in der Ulmenstraße auf Audimax und Arno-Esch-Saal verteilt, der Bass konnte den langjährigen Probensaal in der Maschinenbaufakultät nutzen und der Tenor begann seinen Konzerttag wohl am geschichtsträchtigsten im Hörsaal 208 des Universitätshauptgebäudes. Daß die Säle aus allen Nähten platzten, wird wohl keinen überraschen.

Pünktlich um 19 Uhr – der Tenor mag sich aufgrund seiner zentralen Lage etwas mehr Zeit gelassen haben – verließen die Sängerinnen und Sänger die Stätten der Vorbereitung und begannen den Fußmarsch zu den Konzerthallen. Daß für das nach historischer Aufführungspraxis erforderliche akustische Klangerlebnis die Personenstärke des Chores grob durch sechs geteilt werden mußte, war vom Stimmgruppenleiter des Tenors lange vehement kritisiert worden: mit nur ca. 20 Tenören pro Saal sei die übliche Qualität nicht zu gewährleisten, so der 28jährige Musikhistoriker, der einen Monat zuvor seine Staatsexamensarbeit über die Frühphase des Chores magna cum laude abgeschlossen hatte. Seine acht Kollegen im Rat der Stimmgruppenleiter hatten ihn zuletzt doch noch überzeugen können, schließlich seien 90 Jahre zuvor noch weniger Tenöre der ehrenvollen Aufgabe gewachsen gewesen, eine Angabe, die allerdings bis heute unbewiesen bleibt. Um 20 Uhr begann schließlich das Konzertereignis und es wurde eine weitere Tradition gepflegt: der Opener à la minute war erst eine halbe Stunde zuvor von der Chorleiterin fertig arrangiert und auf die optischen Implantate geladen worden. Diese doch recht frühe Abgabe kam zustande, weil die analoge Halluzinelle danach selbst vervielfältigt werden mußte, denn sie sollte als einziges Chormitglied an allen 6 Konzerten persönlich teilnehmen.

Abgesehen davon war ansonsten aber alles in der bereits erwähnten historischen Aufführungspraxis gehalten: die Chöre (denn ein gemeinsamer Chor trat an diesem Abend weder physisch noch digital zusammen) wurden mit weniger als zehn piezoelektrischen Mikrofonen pro Saal abgenommen, die das Sound Museum im Berliner Sony Center zur Verfügung gestellt hatte, und so waren die Klangerlebnisse in den einzelnen Konzerthallen höchst unterschiedlich, da sie wie in alten Zeiten zu großen Teilen von der Raumakustik abhängig waren.

Dies ist für viele Leser vermutlich ungewohnt, deshalb leiste hier ein Zitat Hilfestellung: "Der ungefilterte und unbearbeitete Klang, den wir hier heute erleben durften, ist wie ein selbstgekochtes Gericht: einzigartig, flüchtig und stets der Gefahr eines Fehlers ausgesetzt. Die dennoch fehlerfreie und klare Darbietung unterstreicht in höchstem Maße die musikalische Qualität dieses Chores, der es sich ohne weiteres erlauben könnte, diesen Aufführungsmodus auch in Zukunft beizubehalten, und damit vermutlich erneut seiner Zeit voraus wäre." Daß Germa Dieringer neben dem Ministerpräsidentenamt auch eine Ehrenmitgliedschaft bei Celebrate innehat, soll aus Gründen journalistischer Sorgfalt nicht unerwähnt bleiben, auch wenn der Chor dies natürlich nie erwähnt. Dieringer beschreibt die Erlebnisse in der Nikolaikirche, in der im Vergleich zu den anderen fünf Aufführungsorten noch relativ viel Tontechnik verwendet wurde.

 

Das Programm war wie immer vielfältig und streng geheim, wenn auch die Liedauswahl in diesem Fall demokratischer als normalerweise vonstatten gegangen war. So war das mit Spannung erwartete Männerstück mit einer knappen 2/3-Mehrheit im zweiten Wahlgang gewählt worden. Das Frauenstück war wenig überraschend, aber nicht weniger überragend, sind doch Medleys seit Generationen ein Favorit. Zum Jubiläum war sogar ein legendäres Choreographieelement rekonstruiert und einstudiert worden, an dem man sich zuletzt vor 50 Jahren unter Goldmannscher Chorleitung am Beginn der dritten Chorgeneration versucht hatte. Ein sauberer Sprung gefolgt von einem glasklaren „Sithimolweni“ sind stark ohrwurmverdächtig.

Ein weiteres Highlight war genauso ein streng gehütetes Geheimnis geblieben: nach der ebenfalls traditionellen 10-Minuten-Improvisation des Pianisten, der real im Großen Haus spielte und per Hapteo-Übertragung an den anderen Konzerten teilnahm, wurde es still im Theater, als das älteste Celebrate-Mitglied sich von seinem Platz in der Ehrenloge erhob.

Der rüstige Bundeskultusminister a.D., der an diesem Tag seinen 111. Geburtstag feierte, schlägt eine Stimmgabel an und gibt – unverstärkt – fünf Töne an, die wohl jedes Celebrate-Mitglied von mehr als drei Jahren Erfahrung im Schlaf wiedererkennen würde. Er hebt die Hände, die ungezählte Proben, Chortage und mehr als ein Dutzend Konzerte dirigiert haben, an Cajòn und Klavier Stücke begleiteten und nicht zuletzt zwei Dutzend zum Teil ikonische Arrangements vollendeten, und gibt den Auftakt für DEN Celebrate-Klassiker: Bohemian Rhapsody hätte in einem voll besetzen englischen Fußballstadion aus Freddie Mercurys Mund höchstpersönlich nicht mehr Ehrfurcht in die Gemüter der Zuhörer flößen können, die nach dem letzten Ton fast zehn Sekunden innehalten, bevor der minutenlange Applaus dem Konzert eine Zäsur gibt, die einer solchen Lebensleistung vielleicht gerade gerecht werden kann.

 

Natürlich ist ein 100jähriges Jubiläumskonzert auch irgendwann zu Ende, so oft das wundervolle Publikum den Wunsch nach Zugaben auch verlauten ließ. Das Dénouement dieses Jahrhundertereignisses war den Gratulanten vorbehalten, allen voran dem Shantychor Luv und Lee XII und dem inzwischen dritten Montagschor, die gemeinsam mit Celebrate gerade das 3-Chöre-Adventskonzert wiederaufleben lassen hatten.

Den tief bewegten Autoren dieses Artikels bleibt nur Danke zu sagen, und dem rock.pop.gospel.chor Celebrate alles Gute für die nächsten 100 Jahre zu wünschen. Gut wart ihr. Eine Anmerkung zum Schluß noch: das stets zügig arbeitende Video-Team des Chores, das seine Mitgliederbeschränkung für diesen besonderen Anlaß aufgehoben hat, rechnet mit der Fertigstellung des Konzertmitschnitts bis Anfang März. Wir dürfen gespannt sein.