Los geht es 14:30 Uhr an einem kalten Freitagnachmittag. Wir treffen uns alle an der Südseite des Rostocker Hauptbahnhofs. Alle noch etwas fröstelnd und bewaffnet mit Gepäck samt Instrumenten, aber top motiviert möchte ich behaupten, wandern zum Zug, der uns über Stralsund bis nach Bergen auf die Insel Rügen bringen sollte. Leider sind wir nicht die einzigen Reisenden mit diesem Ziel und so müssen wir anfangs im Zug stehen, was unseren Optimismus allerdings nicht trüben kann und erste Gespräche untereinander ermöglicht.

Der Zug führt uns weiter, vorbei an verschneiten Häusern und Landschaften, die uns unserem Ziel näher bringen. In Bergen heißt es dann: Alles aussteigen! Maddin, selbst noch etwas schläfrig, treibt die verschlafene Herde zum Bus. Er scheint nie viel Schlaf zu bekommen, wie ich später feststelle.

Von dort aus geht es weiter, bis wir schließlich gegen 16:30 Uhr in Binz eintreffen. Ein kurzer Fußmarsch entlang an den herrschaftlichen Binzer Hotels und wir erreichen unsere Jugendherberge – direkt am Meer. Wir betreten den Eingangsbereich und werfen unsere Koffer, Taschen und Jacken von uns ab. Juliane beginnt mit der Schlüsselverteilung. Nach einer kurzen Besichtigung der Zimmer gibt es Abendbrot im „blauen Saal“. Dieser ist auch für die nächsten Tage unser Haupttreffpunkt, da wir hier die Proben abhalten und das Freizeitprogramm meist hier stattfindet. Der Abend gestaltet sich als erste Herausforderung in meinem Neu-Chormitglied-Leben. Gemeinschaftsspiele mit ca. 80 Leuten: oha! Dabei denke ich vor allem an das „Knoten bilden“, ich bezeichne es mal so. Zum Schluss sind wir alle so ineinander verknotet, dass es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Bis André in die Runde fragt, ob nicht zufällig zwei Menschenkreise entstanden sind. „Wir setzen mal alle einen Impuls zur Hand des Nachbarn“ Zur Auflösung: Ja, es waren tatsächlich zwei Kreise. Soviel zum spielerischen Teil des Abends.

Dann beginnt der musikalische Teil. Die Spielrunde löst sich auf. Björn spielt auf der Gitarre und singt zusammen mit Simon verschiedene Songs. Jana und Juliane gesellen sich dazu und schließlich werde ich auch neugierig. Was dabei herauskommt, lässt jedes Musikerherz höher schlagen. Spontanes Musizieren macht einfach Spaß, obwohl ich ja die Meisten noch nicht so gut kenne. Maddin hat sich nun ans Klavier gesetzt und der Chor beginnt mit einem für mich unvergesslichen bunten Querschnitt seines Repertoires, der mir für das restliche Wochenende immer noch in Gedanken bleiben sollte. Teelichter auf dem Klavier und ein Menschenkreis um Maddin ergänzen das Bild von einer tollen Gemeinschaft, die bis in die Morgenstunden gemeinsam singt. Ich erlebe zum ersten Mal die Jungs mit ihren „Pferdchen am Stiel“ und die Mädels mit ihrem Lovesong-Medley. Ich versuche, meine Textunsicherheit mit Nachahmen zu überspielen. Es klappt nur begrenzt, aber fetzt trotzdem. Irgendwann um halb vier übermannt Jessica, Jana und mich jedoch die Müdigkeit.

Der Morgen danach. Um 8:00 Uhr soll es Frühstück geben. Tina, unsere Sportskanone, geht zu meiner großen Ehrfurcht zuerst ein paar Kilometer am Strand laufen. Mein Lauf erstreckt sich dagegen nur die wenigen Meter von unserem Zimmer zum Bad. Dabei spricht mich jemand vom anderen Ende des Flurs an, mit den Worten: „Sarah, du bist ja auch noch wach“ Ich schaue verdutzt und kann ohne meine Brille leider nicht erkennen, wer zu mir spricht. Später erfahre ich, dass die Jungs durchgefeiert haben. So kommt Didi eben direkt zum Frühstück. Danach geht´s in die Chorprobe, die den meisten etwas schwerer fällt als sonst. Kräftiges Strecken und dann geht’s los! Nach ausgiebigem Trainieren unserer Stimmbänder und dem Mittag steht Freizeit an, wie z.B. Frisbee, Tanzen oder ein Percussion-Kurs. Ich entscheide mich mit Jessica für das Tanzen. Lena und Maddin legen eine flotte Sohle aufs Parkett. Jan ruft mir beim Tanzen die verschütteten Chachacha-Schritte wieder ins Gedächtnis.

Ein besonderes Highlight ist der Open-Stage-Abend. Lena lässt ihrer Kreativität freien Lauf und veranstaltet eine Modenschau, bei der die Topmodels mit knappen Outfits aus Müllsäcken und Alufolie vor uns glänzen. Die Mädels inszenieren mit Hilfe von selbstgebastelten Sockenpuppen Harry Potter … mal ganz anders. Wir haben sehr gelacht. Eine Gitarreneinlage lässt uns bei Björns Auftritt nicht mehr still sitzen. Von Moritz werden außerdem auch körpereigene Instrumente vorgeführt…

Ein sehr abwechslungsreicher Abend. Nach einem kurzen nächtlichen Ausflug auf die Binzer Seebrücke mit Juliane, Simon und den anderen und einer Runde Kartenspiel mit Franka, Jan und Robert neigt sich dieser dann dem Ende entgegen. Steffens Gitarrenklänge von Funny van Dannen hallen nach.

Am Sonntag heißt es dann: Bye bye, Binz! Die Zimmer werden in Ordnung gebracht und noch eine letzte Probe im „Blauen Salon“ angesetzt. Ich erlebe erstmals „Tatuzita“ von André und sehe, wie der ganze Chor synchron mit geht. Die Mörder (Steffi, Konstantin und Jan) werden von den furchtlosen Bürgern des Dorfes gestellt. Endlich kann ich wieder ruhigen Gewissens nachts über dunkle verlassene Flure laufen, ohne gekillt zu werden. Der Candyman und der Ferryman trinken zusammen einen letzten Tea for two und wir machen uns wieder auf den Weg nach Rostock.

Bis zur nächsten Chorfahrt!